WESTPOINT begab sich in die burgenländische Pampa, um auf den Pannonia Fields dem Großereignis NOVAROCK beizuwohnen, einer Großkampfveranstaltung in Sachen Rock/Metal, die ihresgleichen sucht. Drei Bühnen, lange Wege zwischen jenen, tolles Rahmenprogramm, eine reibungslose Organisation und Abwechslung garantierende Verpflegungsstände kennzeichnen diese Rock-Extravaganza, welche die Herzen von insgesamt weit über Hundertausend Fans der härteren Klänge erfreuen sollte. Das Wetter war den Zehntausenden feierwilligen Campern und Konzertbesuchern vor Ort ebenfalls wohlgesonnen, einzig mit dem Staub hatte man zu kämpfen, hier dürften sich zahlreiche Autowaschanlagenbetreiber über erhöhte Umsätze nach dem Festival gefreut haben. Doch über allem steht ein absolut tolles Soundprogramm, das für jeden etwas bereithielt…wir waren für euch hautnah und mittendrin dabei….

 

Freitag

 

Die Gigs von BUCKCHERRY und CRAZY TOWN bzw. BRING ME THE HORIZON waren zuvor Autobahnbaustellen, Staus, dem Hotel-Check In und der Warteschlange vor der (Presse-)Kassa zum Opfer gefallen, sodass der Konzerttag mit einer einer Thrash-Legende beginnen durfte.

 

SEPULTURA

Puh, gleichsam mächtig wie sperrig zockten die Brasilianer ihr Novarock-Set. Gleichwohl die MOTÖRHEAD des Thrash Metal auch mit Neo-Glatzkopf Derrick Greene am Mikro schon seit langem unter Beweis stellen, dass sie es live draufhaben, unterzogen sie ihre Fans mit den schwierigen (aber meist eh noch besseren) Nummern der letzten Alben (vor allem „The Mediator Between Head And Hands Must Be The Heart“) einer harten Bewährungsprobe. Zu zerfahren und wenig zwingend sind Songs wie „Manipulation Of Tragedy“…dennoch krachte und rock n´ rollte der Vierer amtlich daher. Gitarrist Andreas Kisser und Basser Paolo Jr. (das einzige, mittlerweile arg ergraute Ur-Mitglied) posten amtlich und hatten naturgemäß mit den in der zweiten Sethälfte gezockten Band- und Genre-Klassikern leichtes Spiel. Ein dynamisches Konzert (samt der üblichen Percussion-Einlagen und kernigen „Serrrrrrvus“-Begrüßungen durch den Frontmann) ging zu Ende, trotz aller Livegewalt (der Livesound war heute eher mau) muß schön langsam eine Reunion mit den Cavaleras näherrücken, auch wenn das abgedroschen klingen mag. Gute Liveleistungen, die vor allem vom jungen Publikum goutiert werden, können und dürfen nicht weiter über schlechte Studioleistungen hinwegtäuschen, und der schwarze Peter dafür darf hier keinesfalls dem ambitionierten und sympathischen Greene zugeschoben werden. Ich war am heutigen Tage jedenfalls froh, niemals meinem Anfang-90er-Fanboy-Wunsch nach einem SEPULTURA-Tribal-„S“-Tattoo erlegen zu sein.

 

PHIL ANSELMO & THE ILLEGALS

Die Truppe um den ehemaligen, recht gut im Futter stehenden PANTERA-Frontmann war neben CROWBAR ein echt schwermütiger Brecher auf dem Festival. Schon auf der „Walk Through Exits Only“-CD wirkte das Songmaterial weitestgehend unzugänglich und kantig, ebenso schwer war auch die Darbietung des sperrigen Songmaterials im hellen Sonnenschein, nach dem guten „A New Level“-Einstieg seiner ex-Band nützten nicht wenige der Zuschauer die Möglichkeit, sich zu stärken und bekamen das finale „Domination“-Cover von PANTERA nur mehr von Weitem mit. Dürfte in Clubs um einiges energetischer und atmosphärisch dichter rüberkommen als auf der hellichten Riesen-Open Air-Bühne, ob die Verpflichtung von Anselmo´s Truppe für solche Festivals viel bringt, bleibt fraglich.

 

BLACK STONE CHERRY

Die Kentucky-Jungs waren danach schon ganz anders gestrickt. Nachdem sich der Himmel kurz zuvor bei PHIL ANSELMO sinngemäß verdunkelt hatte, ging mit BLACK STONE CHERRY sprichwörtlich die Sonne auf. Gute Laune-Titel wie „Blind Man“, „White Thrash Millionaire“ oder „Blame It On The Boom Boom“ zündeten fast erwartungsgemäß beim feierwilligen Publikum und schoben die imaginären Wolken beiseite. Die äußerst agil über die Bühne fegenden, mächtig abrockenden und posenden Musiker ließen sich von der in den Zuschauergesichtern widergespiegelten Partylaune umgehend anstecken und gaben die dergestalt aufgenommene Energie umgehend ins Auditorium zurück. Der heutige, spritzig-rockende und auch sympathische Auftritt darf als voller Erfolg für die Band verbucht werden.

 

STEEL PANTHER

Die einst als METAL SKOOL durch die einschlägigen Szene-Locations der USA tingelnde Truppe war eine der Gewinnerbands des heurigen Festivals. Innerhalb kürzester Zeit schaffte es die Hairspray-Combo auf die großen Bühnen. Und diesem Anspruch wurden die stählernen Panther auch am heutigen Tage gerecht, der Zuschauerzuspruch war immens und die Massen ließen ihre Helden hochleben. Sexy Lexxi am Bass zog seine Pretty-Hair-MakeUp-Show ebenso durch wie Satchel posenreich seine Gitarre bearbeitete. Eine gehörige Portion Selbstironie durfte auch nicht fehlen und schützte die Band vor kompletter Klamaukshow-Lächerlichkeit. Der einzige Echthaarler in der Runde, Sänger Michael Starr mimte den Entertainer und sorgte für Bewegung auf der Bühne. Abseits des mehr oder weniger unterhaltsamen bis belanglosen Gelabers rund um Titten, Pussies und Blowjobs blieb recht wenig Nettospielzeit übrig, in der vor allem die lässigen Nummern älteren Datums („Asian Hooker“, „Community Property“) punkteten, musikalisch hat es das Kalifornien-Quartett ohnehin drauf, das mußte heute nicht extra bewiesen werden. Angestachelt vom tosenden Jubel der Tausenden zogen schließlich einige Damen obenrum blank, was der Show zusätzliches Futter aus dem Auditorium heraus bescherte. Die jungen Massen waren von der sehr unterhaltsamen Darbietung höchst angetan und auch den reiferen Semestern huschte das eine oder andere Lächeln über die Lippen, wenngleich sich der Witz und das spritzig-neue STEEL PANTHER-Element zumindest für mich schon längst abgelutscht hatte.

 

SLAYER

Probleme mit dem Backdrop führten gleich eingangs zu leichter Nervosität bei den gespannten SLAYER-Fans. Dazu später mehr. Endlich war die Bühne in Blutrot getaucht und das infernale Intro zu „Hell Awaits“ sorgte für ekstatische Verzückung ob des Soundorkans der folgen sollte. Und wie er folgte…die Thrash-Legende zog alle Register und fönte einen amtlichen Thrash-Sturm aus der Anlage. Kernige Riffarbeit des sympathischen Neo-Rauschebarts Gary Holt sowie des kahlen, kettenbehangenen Stakkato-Bangers Kerry King bildete die Basis für einen routiniert-guten Livegig, bei dem auch Paul Bostaph wieder eine exzellente Leistung hinter seiner Schießbude abrufen konnte. An der Songauswahl gab es ebenso wenig zu mäkeln, hier kann ohnehin aus dem Vollen geschöpft werden, doch auch der einzige wirklich neue Titel „Hate Worldwide“ knallte amtlich. Gleichwohl kleinere Mankos festzustellen waren (Araya´s Schreie sind nicht mehr gleich geil wie früher und auch die Stellungswechsel der Sechssaiter wirkten arg einstudiert, Holt muss hier zukünftig mehr aus dem King-Chef-Schatten treten) zockten die Totschläger ein fettes und tightes Set, das auch die Ketzer- und Früher-War-Alles-Besser(wisser)-Fraktion überzeugen sollte. Bei „Angel Of Death“ fiel das minimalistisch anmutende „Slaytanic Wehrmacht“-Backdrop und gab die Sicht frei auf ein Jeff Hannemann-Gedächtnis-Banner (im Heineken Bier-Stil) mit der Aufschrift „Hannemann“/„Angel Of Death“/“Still Reigning“ – eine still-unpeinliche und gleichzeitig wuchtig-plakative Würdigung des 2013 verstorbenen Stammgitarristen.

 

PRODIGY

Die Engländer hatten mich schon seinerzeit bei ihrem Gig in der Innsbrucker Olympiahalle mächtig beeindruckt. Der wummernde Bass und die drückenden Beats erreichten heute zwar nicht das gleiche Intensitätslevel wie in der Halle, da sie ein wenig in der Open Air-Atmosphäre verpufften, dennoch zockte die Truppe um Mainman Liam Howlett ein drückendes Headlinerset. „Voodoo People“ bildete den Opener, danach ging es Schlag auf Schlag, „Breathe“, „Omen“, „Poison“…PRODIGY kleckerten nicht, sie klotzten, wer hat der kann! In imposanter Weise ließen sie ihre musikalischen Muskeln spielen und zauberten einen Hit nach dem anderen aus dem Hut. Bei „Firestarter“ war ohnehin kollektives Auszucken angesagt, doch auch „Run With The Wolves“, „Thunder“ und der Titeltrack machten klar, welcher Kracher „Invaders Must Die“ (2009) ist, an einem Nachfolger sollte die Band nach dieser langen Zeit dringendst zu Ende basteln, einige der neuen Nummern („Rockweiler“, „Jetfighter“) verhießen schließlich schon so einiges.

Maxim und Keith beschritten die über und über mit Trockeneisnebel verhangene Bühne, die in der lässigen Lichtshow richtig schräg, düster bis spooky zur Geltung kam. Der Videosingle-Hit „Smack My Bitch Up“ beschloß das reguläre, mit allerlei elektronischen Spielereien gespickte und großformatige Set, auf „No Good“ mußte die beatverliebte sowie tanz- und bewegungsfreudige Meute leider verzichten, dafür wurden als Zugaben aber „Their Law“ und das uralte „Out Of Space“ aufgeboten. Danach war Schicht im Schacht und ich hatte es nicht bereut, die Engländer statt der zeitgleich gastierenden (aber schon öfter live begutachteten) VOLBEAT gesehen zu haben. Aufgrund von Programmüberschneidungen fiel auch der Gig von LIMP BIZKIT am heutigen Tag leider ins Wasser. PRODIGY hatten inmitten des gitarrenlastigen Umfeld ihren elektronischen Kampf äußerst erfolgreich für sich entschieden.

 

Samstag

 

Die Epic/Symphonic Metaller EPICA konnten ebenso wie die Deutschen EMERGENCY GATE (samt dem im Duett mit dem in ein AC/DC-T-Shirt gewandeten 90er-Eurodisco-Star HADDAWAY gezockten Hit „What Is Love“) mit ihren ambitionierten und professionellen Live-Shows die doch schon zahlreich vor der Bühne versammelten Fans begeistern, als es mit der nächsten Combo richtig sakral wurde.

 

GHOST

Das sagenumwobene, gesichtslose Kollektiv durfte – in Habiten und Talare gehüllt und mit Masken geschmückt – seine eigene Messe vollziehen. Stimmungsvoll und bedeutungsschwanger gebärdete sich das Sextett auf der Bühne und tönte, dominiert von melodiös-unheilvollen Keyboards, gleichsam klerikal wie sakral anmutend, aus den Boxen. Die schaumgebremste Bühnenperformance tat ihr übriges zum ruhig-andächtigen Charakter der GHOST-Show, dabei hatten die Verhüllten heute sogar das Glück, dass die Sonne nicht gnadenlos vom Himmel knallte und den gerüchtet verdienten und renommierten Skandinavien-Musikern unter den augenscheinlich schweren Kostümen nicht mächtig einheizte und sie dergestalt gewandet nur dem simplen Tageslicht zu trotzen hatten. Angeführt vom selbsternannten, mit der mit künstlichen Falten ausgestatteten (Totenkopf-)Maske auf alt getrimmten „Papst“ Papa Emeritus und seinen von aufgesetztem Akzent geprägten Ansagen zelebrierten GHOST vom geilen Opener „Year Zero“ an ihr originelles Bühnenkonzept, bei dem zumindest ich mich bestens aufgehoben fühlte und dem pseudo-religiösen Treiben auf der Bühne hingeben konnte. Bezeichnend wie gleichzeitig herausragend eine Coverversion, nämlich das „Nomen-Est-Omen“-Cover „If Yo Have Ghosts“ von ROKY ERIKSON, das absolut cool rüberkam und anschließend nur von der finalen Schlußnummer „Monstrance Clock“ übertroffen werden konnte. Das Spektakel passt zwar aufgrund des psychedelischen, an BLUE ÖYSTER CULT und Seventies-Rock erinnernden Sounds und des regierenden Sonnenlichts absolut nicht hierher, ich konnte dem stimmigen Treiben auf der nachmittäglichen Novarockbühne aber dennoch sehr viel abgewinnen. Wie schon bei PHIL ANSELMO stellt sich mir die Frage der Sinnhaftigkeit des Unterfangens, die obskure Band für derartige Großevents zu buchen, dennoch muss ich den Skandinaviern ein amtlich-gutes Zeugnis für die tadellose musikalische Darbietung ausstellen.

 

TRIVIUM

Die Floridianer stehen bei der jungen Garde an Metalfans hoch im Kurs. Insofern war es nicht verwunderlich, dass beim TRIVIUM-Gig vor der Bühne recht viel Bewegung herrschte. Für den Soundtrack zum Bangen und Pogen im Pit sorgten die vier Herren auf der Bühne. Leichtes Spiel für die Jungs um Fronter Matt Heafy, die eigentlich nur ihre größten Erfolge („Built To Fall“, „Strife“ oder „Down From The Sky“) zocken mußten und mit diesem Rezept auf den Pannonia Fields auch reüssieren konnten. Mir waren die Amerikaner schon immer zu nichtssagend und unoriginell, sodass mich nicht mal ein echter Kracher wie „Anthem (We Are The Fire)“ packen konnte. Ansonsten aber solide und satte Performance einer Band, welche die Massen begeistert und ohrenscheinlich immer noch hungrig nach mehr ist.

 

ANTHRAX

Den Amerikanern gelang mit dem Alt-Double „Caught In A Mosh“ und „Madhouse“ gleich ein idealer Einstieg. Mit Joey Belladonna am Mikro kamen diese Titel authentisch und bärenstark rüber. Die Amerikaner könnten theoretisch aus dem Vollen schöpfen, allerdings wurde logischerweise die John Bush-Ära soundtechnisch ausgespart. Sehr geil kam der vom Glocken-Intro eingeleitete Rhythmus-Stampfer „In The End“, ob es bei einer 55 Minuten-Show aber das von den Headliner-Shows bekannte AC/DC-Cover „T.N.T.“ sein mußte, sei wirklich dahingestellt, der eine oder andere „Spreading The Disease“-Klassiker wäre da angebrachter gewesen. Neben Basser Frank Bello und Bandchef Scott Ian zählte nur noch Sänger Joes Belladonna zur Alt-Besetzung, neben einem Aushilfsgitarristen wurde auch Charlie Benante wieder von einem Ersatzdrummer vertreten. Ein weiteres Cover („Antisocial“) beschloß ein ein recht kurzweiliges, aber wenig aufregendes Set.

 

AMON AMARTH

Die Schweden gehen live eigentlich immer. Und auch am heutigen Tage ließen die melodisch-wuchtigen Death Metal-Brecher „Made in Vikingland“ keine Wünsche offen. Einzig das helle Tageslicht erwies sich als ein wenig hinderlich, AMON AMARTH-Sound braucht dunkel und entsprechende Lichtshow zum Verstärken des Effekts von stimmungsvollen Nummern wie „As Loke Falls“. Besser funktionierten im Sonnenlicht wüste Brecher wie der geile Opener „Father Of The Wolf“ oder „Deceiver Of The Gods“, die – verstärkt durch gleiche Bühnenoutfits und synchron geschaltetes Headbanging – zusätzliche Wirkung entfalten. Die nordische Erfolgsformel funktionierte auch heute, der tief röhrende Frontmann Johann Hegg („Guardians Of Asgard“) führte seine Warriors durch ein routiniertes Liveset, der „hohe Startplatz“ im Billing dokumentiert den absolut verdienten Höhenflug der Nordmänner.

 

IRON MAIDEN

Der Headliner des heutigen Abends lieferte ein standesgemäßes Set, das dem Status und dem Ruf der Metalinstitution gerecht wurde. Die Band, die sich tatsächlich drei Gitarristen in der Band leistet bzw. leisten kann, ließ unter der Federführung von Steve Harris (musikalisch) und Bruce Dickinson (actiontechnisch) nichts anbrennen und lieferte optisch wie soundmäßig eine amtliche Headlinershow ab. Das geschmacksichere „Doctor, Doctor“ von UFO bildete das Intro zur mit Klassikern gespickten Setlist der Eisernen Jungfrauen. Von Altstandards wie der Bandhymne oder „The Number Of The Beast“, „Run To The Hills“ oder „Fear Of The Dark“ kam vor allem das superbe „Seventh Son Of A Seventh Son“-Album mit insgesamt vier Songs („Moonchild“,  „Can I Play With Madness“ etc.) zu Liveehren. Die üblichen Gimmicks brachten Schwung und Abwechslung in die Show, so gewandete sich Dickinson in diverse Bühnen-Outfits, schwang bei „The Trooper“ standesgemäß die Fahne und auch Pyros sorgten für den einen oder anderen Hingucker auf der Bühne. Zudem erklomm der fitte Sänger vor den immer wechselnden (Eddie-)Hintergrundbildern die verschiedenen Bühnenebenen, um die meisten Songs auf höherer Ebene zu performen.

Showtechnisch zeigte sich die Altherrentruppe agil und gut bei Laune, bahnbrechende Classic-Metal-Hits hat das Urgestein sowieso im Köcher, für akustische Abwechslung inmitten des mit Standards aufmunitionieren Sets sorgten etwa Songs wie „Revelations“ von „Piece Of Mind“. IRON MAIDEN enttäuschten in der burgenländischen Pampa in keinster Weise, ein äußerst routinierter, gleichsam berechenbarer, aber auch langweiliger Konzertabend mit den Eisernen Jungfrauen ging mit dem Zugabenblock „Aces High“, „The Evil That Men Do“ und dem Uralttrack „Sanctuary zu Ende und machte mir wieder klar, warum gerade die einstige Superhelden-Metal-Liga (JUDAS PRIEST & Co.) aktuell kaum Reiz auf mich ausübt und eigentlich lieber junge, frische Bands in schweißtreibender Clubatmosphäre sehen und entdecken möchte.

 

DAVID HASSELHOFF

Wer danach noch immer nicht genug hatte, durfte sich vom K.I.T.T.-Fahrer und Baywatch-Rettungsschwimmer DAVID HASSELHOFF mit seinem Cover- bzw. Eigenhit-Programm in die Nacht verabschieden lassen, WESTPOINT zog eine Dusche und ein Bett diesem Show-Gimmick jedenfalls vor, allerdings dürfte „The Hoff“ – den zahlreichen verläßlichen Augen- und Ohrenzeugen zufolge – mit seinem bunten Trash-Mix aus Spektakel und Cover- bzw. Greatest-„Hoff“-Hits („Limbo Dance“, „Looking For Freedom“, „Crazy For You“) bei den tatsächlich noch ausharrenden Massen bestens angekommen sein. Wer´s braucht…ich hätte niemals zu träumen gewagt, dass eine der größten Metalbands des Planeten mal für einen Pausenclown wie David Hasselhoff eröffnen würde.

 

Sonntag

 

ARCH ENEMY

Am dritten Tag sollte gleich eingangs ein richtiger Kracher das Novarock überrollen. ARCH ENEMY waren mit neuer Sängerin am Start und wohl jeder war auf die neue Liveperformance in der Post-Gossow-Ära gespannt. Fesch uniformiert und die Bühne mit Fahnen ausstaffiert, konnte die neue Besetzung um Bandchef Michael Amott überzeugen. Alissa White-Gluz regierte mit ihrem Brüllorgan und führte das Vermächtnis der eigentlich übermächtigen Vorgängerin würdig weiter. Die Nervosität war der Kanadierin ebenfalls nicht anzumerken, sodass der geile Gig auch vom Publikum gewürdigt wurde. Es zeigte sich auch die Qualität des neuen Songmaterials. „As The Pages Burn“ und „War Eternal“ (vom gleichnamigen Album) fügten sich in das mit Krachern („We Will Rise“, „Nemesis“) aufmunitionierte Set ein, welche von der sehr ansehnlichen Neo-Röhre amtlich interpretiert wurden. Toller Einstieg in einen Hammer-Konzerttag!

 

BAD RELIGION

Fesch im Bandshirt und mit mächtig Vorfreude aufmarschiert, folgte für mich neben den professionell-langweiligen IRON MAIDEN DIE Enttäuschung des Festivals. Schon beim ersten Tönen des Openers „Fuck You“ (vom Kracheralbum „True North“) war klar: Sound ist voll im Allerwertesten! Tapfer zogen die Punkrockprofis in der Folge ihr Set durch, die Unzufriedenheit mit dem (Monitor-)Sound konnten und wollten die Jungs allerdings nicht verbergen. Zwar besserte sich der Sound im Laufe des Sets etwas,  dennoch darf so etwas bei einer Profi-Band vom Kaliber BAD RELIGION nicht passieren. Auch sonst schien es zu früh für Punkrock zu sein, die ohrenscheinlichen Soundprobleme dämpften auch die Spiellaune der Protagonisten, das Publikum zeigte sich ebenfalls hüftlahm und auch die Songauswahl hätte trotz „New Dark Ages“, „I Want To Conquer The World“, zahlreicher „Suffer“-Tracks und Standards („Punk Rock Song“, „21 Century (Digital Boy)“) handverlesener sein können und kam etwa nicht an das Konzert in Feldkirch 2013 ran. Die Punkrockveteranen können das weit besser, der heutige Auftritt war – zumindest für mich – weitgehend „für´n Hugo“.

 

DROPKICK MURPHYS

Ganz anders verhielt es sich bei den folgenden DROPKICK MURPHYS, die es sogar schafften, den soundtechnich schwer zu integrierenden Dudelsack (oder die ebenfalls zum Einsatz kommende Mandoline) ansprechend erklingen zu lassen. Schon das Celtic-artige Intro baute Stimmung und Spannung auf. Danach explodierte der Gute Laune Punkrock im Irish-Folk-Stil und erfreute das Publikum. Die Boston-Mannen um Fronter Al Barr und den singenden Basser Ken Casey waren motiviert und zauberten ein Party-Set auf die Novarock-Bühnenbretter. „The Boys Are Back“ lautete die Devise und das enthusiastische Publikum ließ ihre Helden hochleben. Der neue Mitbrüller „Rose Tattoo“ (vom ”Signed And Sealed In Blood“-Album) überzeugte ebenso wie die anderen Kracher im „Going Out In Style“-Format. Zusätzlich überraschten die MURPHYS mit einem recht harten AC/DC-Cover von „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ und beendeten einen fulminanten und schmissigen Auftritt mit dem allseits bekannten „I´m Shippin´ Up To Boston“. Tolle und leider viel zu kurze Vorstellung, spätestens mit diesem Auftritt war der trockene Feldstaub ob der Fanaction gehörig aufgewirbelt worden und die Sunshine-Party voll in Gang gekommen.

 

HATEBREED

HATEBREED waren für MEGADETH eingesprungen, die ihre Euro-Gigs abgesagt hatten. Aber diese Tatsache sollte beileibe kein Nachteil sein, wie sich sogleich herausstellte. Ihrem Ruf als bärenstarke Liveband wurde das Quintett aus New York auch heute mehr als gerecht. Von einem wie immer agilen und das Publikum motivierenden Frontmann wie Jamey Jasta angeführt, sorgte die Band für das fette, wuchtig walzende Soundfundament, auf dem der Sänger die Show aufbaute und dem Publikum seine Shouts entgegenschleuderte. Attitüde und die nötige Ernstahaftigkeit hat die Aggro-Truppe ohnehin drauf, mit HardcoreMetal-Smashern wie „To The Threshold“ oder „I Will Be Heard“ konnte ohnehin nichts schiefgehen. Der Staub wirbelte ordentlich auf, als das begeisterte Publikum bei „In Ashes They Shall Reap“ steppte und im Pit kreiste. Schließlich war es ein Leichtes, das willige Publikum beim abschließenden „Destroy Everything“ noch einmal vollends zum Abgehen und Mitbrüllen zu mobilisieren und dieses Konzert als ein wahrlich hartes und intensives Ereignis in die Annalen des Novarock eingehen zu lassen.

ROB ZOMBIE

Schon der Bühnenaufbau sprach Bände. Es war die Zeit des Show-Spektakels gekommen. Frankenstein und King Kong Back- und Sidedrops stimmten optisch auf die folgende akustische Horror-Sound-Show ein. Und gemäß dem „To The Max“-Prinzip klotzte Mainman Rob Zombie gleich eingangs „Dragula“ heraus, dem umgehend ein bärenstarkes „Superbeast“ folgte. Großes industrial-angehauchtes Metal-Kino regierte die folgende Stunde, ein erstaunlich fitter Frontmann steppte und fegte über die Open Air-Bühne und lieferte samt seinen geschminkten und optisch gepimpten Mitstreitern amtliche Popcorn-Unterhaltung mit harten Beats und cooler Maskerade. Dass sich der US-Superstar für nichts zu schade ist, bewies sein Ausflug ins Publikum, von dem Zombie zur Belustigung des Publikums auch einen lebensgroßen Werbe-Pappaufsteller auf die Bühne mitbrachte. Eine für Zombie-Verhältnisse fast perfekt komprimierte Show (schließlich ist nicht alles von ZOMBIE musikhistorisch relevant) wurde von ALICE COOPER´s „School´s Out“ und einem mit einer Österreich-Fahne behangenen Zombie beschlossen. So muß das, WHITE ZOMBIE-Songs wurden auch gespielt (u.a. „Thunder Kiss ´65“), nur das irrelevante DIAMOND HEAD-Cover „Am I Evil“ hätte man zugunsten von „American Witch“ oder „Black Sunshine“ aus dem Set schmeißen können.

 

SOUNDGARDEN

Die aus der Grunge-Ära stammende Kultband war ja als Support von BLACK SABBATH unterwegs und somit auch auf das heurige Novarock-Billing gerutscht. Der Andrang vor der Bühne zeigte, dass viele auf die Rückkehr der seit 2010 wieder reformierten Seattle-Legende gewartet hatten. Die fast in Erfolgsbesetzung der Neunziger Jahre angetretenen SOUNDGARDEN starteten jedenfalls pflichtbewußt mit dem starken „Searching With My Good Eye Closed“ in ihr bestens bestücktes Set, das auch schon recht bald den „Spoonman“, „Black Hole Sun“, „Outshined“ und andere Erfolgsnummern bereithielt. Mächtig und behäbig walzten die Riffs von Gitarrist Kim Thayil und zeigten den Einfluß dieser, gleichsam vorher von BLACK SABBATH & Co. beeinflußten, Band vor allem auch auf die später grassierende Stoner-Szene. Spacig, staubig und nicht zuletzt dank der gefühlvoll-fragilen Vocal-Performance von Chris Cornell arg melancholisch geraten, ging eine, auch mit flotteren Krachern wie „Jesus Christ Pose“ oder „Rusty Cage“ gespickte, wenn auch insgesamt etwas behäbige Show zu Ende, welche die Wünsche der Fans erfüllen sollte, als Erfolg verbucht werden darf und auch Lust auf weiteres Studiomaterial aufkeimen ließ.

 

BLACK SABBATH

Dass ich das noch erleben darf. Die Originatoren des Heavy Metal fast in Kultbesetzung. Lediglich hinter dem Drumsessel hatte Tommy Clufetos Platz genommen, der Orignialdrummer Bill Ward ersetzte, und für mächtig Punch und Show sorgte. Doch der Reihe nach. Nach einer kurzen Ansprache von Organisator Ewald Tatar zum zehnjährigen Jubiläum des Festivals kündeten die Luftschutzsirenen des „War Pigs“-Intros von der glorreichen Headlinershow die folgen sollte. Die Engländer spielen ohnehin in einer eigenen Liga und sind nicht zuletzt aufgrund des Alters, Ozzy´s Historie und ihres Metal-Mitbegründer-Status kaum vergleichbar mit anderen Acts. Der eigens aufgezogene Vorhang fiel und unter tosendem Jubel wurde die Sicht auf die Protagonisten auf der Bühne freigegeben. Nach „Into The Void“ staubte „Snowblind“ amtlich daher, bevor mit „Age Of Reason“ der erste von zwei Songs vom Comeback-Album „13“ gezockt wurde. Ozzy bekundete dem Publikum fast schon in inflationärer Weise, dass er/sie es lieben würde/n, das Drumsolo gab Ozzy und Co. ebenso wie das von Geezer Butler spendierte, gezupfte Basssolo, ein wenig Luft zum Durchatmen. Tony Iommi war der stoisch-coole Zeremonienmeister des heutigen Abends, der unter der riesigen Videowall seiner Gitarre die wuchtig-mächtigen Proto-Metal-Riffs entlockte.

Die Frage aller Fragen soll auch nicht unbeantwortet bleiben. Ja, Ozzy hielt sich gut auf der Bühne, war gut bei Laune, Luft und Stimme und schien das Maximum aus seinen Kapazitäten herauszuholen, sodass die tolle musikalische Leistung auch von einer amtlichen Madman-Gesangsleistung gekrönt wurde. Obwohl Ozzy immer wieder mal etwas nölig agierte, wurde die Gesamtperformance absoluten Genre-Klassikern wie „N.I.B.“, „Fairies Wear Boots“ oder der Slo Mo-Signature-Hymne „Black Sabbath“ mehr als gerecht. Das näselnde „Iron Man“ durfte ebenso nicht fehlen wie das starke „God Is Dead“, bevor ein rockiges „Children Of The Grave“ die – leider zu kurze – Galavorstellung in Sachen Metal-Kult beschloß. Bevor das Feuerwerk steigen konnte, folgte als Zugabe noch das gleichsam obligate wie abgelutschte „Paranoid“, dem sich eine artige Verbeugung der Großväter des Heavy Metal anschloß. Die schwarzen Großmeister sorgten nicht nur für einen fulminanten und würdigen Abschluß dieses gut besetzten Konzerttags und Festivals, angesichts der möglichen wirklich letzten Tour bzw. Konzerte regten sich umgehend nostalgisch-historische Gefühle. Doch angekündigte Katastrophen finden meist eh nicht statt und vielleicht darf man die grauen Eminenzen ja noch einmal live bewundern.

Die Gigs von BLACK LABEL SOCIETY, AVENGED SEVENFOLD und THE OFFSPRING fielen leider der Parallelität zu den hier begutachteten Konzerten zum Opfer. Für Westpoint ging das Festivalereignis mit einem tollen Gig der Ikonen BLACK SABBATH fast schon zu früh zu Ende. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen auch 2015 wieder ein Line-Up zusammenstellen werden, dass einem die Spucke wegbleibt. Wir werden euch auf dem Laufenden halten!

 

Novarock 2015 dann vom 12. bis 14. Juni!

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